Dieser Artikel ist aus Anlass einer Ausstellung meiner Arbeiten in den Räumen der DEGRA AG in CH-6343 Rotkreuz Grundstrasse 16 in der verlagseigenen Zeitschrift LABOLIFE (August 1996) erschienen:
Auf dem Doppelspiel aus Strukturen und Interferenzfarben beruhen Zauber und Faszination dieser Bilder.
Mit diesen Bildern wird wieder die alte Frage nach den Beziehungen zwischen Kunst und Natur aufgeworfen.
Die Diskussion über diese Beziehungen entbrannte zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts, als sich die Malerei der nicht gegenständlichen Darstellung zuwandte.
Zur Bewältigung ihrer selbst gestellten künstlerischen Ziele benötigten die Maler die Motive der sichtbaren Wirklichkeit immer weniger. Sie abstrahierten und verzichteten am Ende ganz auf diese. Sie erdachten Strukturen und Formen und benutzten diese als scheinbar ureigene Symbole in ihren Bildern.
Um so größer war die Überraschung, als man in den folgenden Jahren gleiche oder ähnliche Strukturen und Formen unter dem Mikroskop entdeckte. Diese waren also doch Erscheinungen einer objektiven Realität, wenn auch nicht einer unmittelbar sichtbaren.
Die Formen einer Kunstrichtung, die sich programmatisch von der Natur abgewandt hatte, fanden sich ausgerechnet in der Natur wieder.
Es bedarf nicht vieler Fantasie, sich vorzustellen, dass damit eine heftige Diskussion um diese seltsame Parallelität entbrannte. Mancher Maler sah sich durch die stumme Natur einem Erklärungsdruck ausgesetzt. In Zeugnissen dieser Zeit kann man nachlesen, wie vehement versucht wurde, die Grenzen von Kunst und Natur möglichst weit auseinander zu rücken.
Das Ästhetische ist nicht allein ein kunstwissenschaftlicher Begriff, sondern auch ein physiologischer Untersuchungsgegenstand.
Seit Begründung der experimentellen Psychologie durch Theodor Fechner im 19. Jahrhundert, geht man der bis heute unvollständig gelösten Frage nach, welche Voraussetzungen ein betrachtetes Muster haben sollte, um bei der Wahrnehmung ästhetische Empfindungen auszulösen.
Die Informationstheorie versuchte Mitte des 20. Jahrhunderts ästhetische Inhalte von Mustern zu objektivieren. Sie ging von einer wichtigen Beobachtung aus: In Hinsicht auf das Muster scheint eine Balance zwischen Ordnung und Komplexität eine wesentliche Rolle zu spielen. Die Grenzsituationen verdeutlichen das: völlige Ordnung empfinden wir als langweilig, totale Komplexität als verwirrend. Ästhetisch bedeutungsvoll scheinen Mischungen aus deterministischen und stochastischen Mustern erlebt zu werden.
Letztendlich ist jedes ästhetisches Urteil ein individueller neuronaler Vorgang, der sich - bisher-nicht durch informationstheoretische Algorithmen erfassen lässt.
© Text und Fotografien: Manfred Friedrich
© Grafik: LABOLIFE
© Musik: "Himmel auf Erden" Komposition von Frank Petzold